Rückenschmerzen können schnell chronisch werden. Daher kommt ihrer Vorbeugung eine besondere Bedeutung zu. Genauso wie keine einzelne Therapie gegen die Schmerzen existiert, ist auch eine generelle Empfehlungfür vorbeugende Maßnahmen nicht möglich. In der Regel gibt der behandelnde Arzt oder Therapeut (etwa der Physiotherapeut) patientenorientierte Tipps, die sich nach den Bedürfnissen des Betroffenen richten. Was kann eine gute Körperhaltung bereits bewirken? Was ist bei Tätigkeiten im Haushalt zu beachten? Und welche Rolle spielen Sport und Rückenübungen bei der Prävention?
Rückenschmerzen durch die korrekte Körperhaltung verhindern
Egal in welcher Alltagssituation — die richtige Haltung kann helfen,
Rückenschmerzen vorzubeugen. Vor allem Bewegungen oder Tätigkeiten (etwa
Heben oder Bücken), die wir mehrmals täglich ausüben, sind oft nicht
rückenschonend. Falsche Bewegungsmuster festigen sich sehr schnell, ohne dass
wir uns dessen wirklich bewusst sind.
Hinterfragen Sie Ihre Grundhaltung: Machen Sie oftmals einen krummen
Rücken? Ziehen Sie die Schultern nach oben? Fühlen Sie sich häufig
verspannt? Mit der richtigen Haltung lässt sich das oftmals vermeiden.
Diese besteht unter anderem aus:
möglichst geraden Steh- oder Sitzhaltungen
wechselnden Positionen bei längerem Sitzen
möglichst gerade ausgerichteten Schultern, Becken, Hüften, Knien und Füßen
Ziel einer rückenschonenden Haltung ist es, Gelenke,Muskeln und Bandscheiben nicht übermäßig zu beanspruchen. Wenn sich bereits Beschwerden wie beispielsweise Verspannungen der Muskulatur entwickelt haben, fällt es meist schwer, eine dauerhaft aufrechte und rückenschonende Haltung einzunehmen. Die Streckung der Muskulatur kann dann Schmerzen hervorrufen, die Sie in eine sogenannte Schonhaltung zwingen — der Körper vermeidet den Schmerzreiz und eine Fehlhaltungentsteht. Wirken Betroffene dieser nicht entgegen, kommt es zu weiteren Muskelverspannungen, die wieder Schmerzen hervorrufen. Ein Teufelskreis setzt sich in Gang.
Interview mit Dr. Albert Güßbacher
Facharzt für Orthopädie und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
Interview mit Dr. Albert Güßbacher
"Rückenschmerzen? Sitz doch gerade!“ Nicht mehr als ein gutgemeinter Ratschlag?
„Rückenschmerzen beruhen in etwa 80 Prozent auf einer zu schwachen Rückenmuskulatur, die verhindert, dass wir dauerhaft aufrecht sitzen und eine korrekte Körperhaltung einnehmen. Dieses Problem lässt sich sicherlich nicht durch einen Befehl wie „Sitz gerade!“ lösen. Der Fokus sollte darauf liegen, dem Betroffenen ans Herz zu legen, seine Rückenmuskulatur zu stärken. Denn eine schwache Muskulatur lässt uns automatisch in eine schlaffe Position zurückfallen. Und häufig verschärft sich die Situation: Durch die Fehlhaltung im Sitzen kommt es zu einer Fehlbelastung des Rückens und zu Verspannungen. Betroffene nehmen daraufhin eine schmerzbedingte Schonhaltung ein, die die Verspannungen verschlimmert. Nur ein gezieltes Training der rumpfaufrichtenden Muskulatur kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Am besten klappt das mit physiotherapeutischer Begleitung: Auf die Analyse der Muskelschwäche – oft sind die Muskeln betroffen, die die Schultern nach hinten ziehen – folgt die Erstellung eines individuellen Trainingsprogramms. Doch jeder kann selbst etwas dafür tun, seine Muskulatur zu kräftigen. Viele Fitnessstudios beispielsweise bieten einen Rückenzirkel an. Doch lassen Sie sich bitte zeigen, wie Sie die Übungen korrekt ausführen. Unsachkundiges Training an Geräten entpuppt sich schnell als kontraproduktiv, wenn schwache Muskeln überlastet werden und sich der Schmerz verstärkt.“
Genau wie Berufshandwerker müssen auch Hausfrauen oder Hausmänner auf eine rückenschonende Arbeitsweise achten. Oft werden Fenster über Kopf geputzt, die Kiste voller Mineralwasserflaschen mit Hohlkreuz in den Keller gehievt oder das Kleinkind auf einem Arm beim Einkaufen getragen.
Erste Konsequenzen einer rückenunfreundlichen Arbeitsweise sind Schulter- und Nackenverspannungen sowie Rückenschmerzen. Betroffene versuchen instinktiv, die überlasteten Muskeln nicht weiter zu strapazieren. Die dabei häufig entstehende Schonhaltung beeinträchtigt jedoch zusätzlich die gesunden Muskelgruppen und die Schmerzen können chronisch werden.
Um derartigen Folgen vorzubeugen,
vermeiden Sie unnatürliche Arbeitshaltungen (etwa stark nach vorne oder zur Seite geneigt),
schonen Sie Ihren Rücken durch Heben mit geradem Rückgrat sowie gebeugten Knien und
sorgen sie zudem stets für einen festen Stand.
Vor allem rutschfeste Schuhe, die nach allen Seiten Halt bieten, gelten als Voraussetzung für sicheres Arbeiten. Häufig sind es ruckartige Bewegungen (beispielsweise beim Ausrutschen), die Muskelzerrungen oder andere Verletzungen verursachen und damit zu Beschwerden und Rückenschmerzen führen können.
Durch das Heben mit einem geraden Rückgrat findet eine Neigung des Oberkörpers im Hüftgelenk statt, wodurch eine Fehlbelastung der Bandscheiben aufgrund eines Hohlkreuzes vermieden wird. Stehen Sie möglichst breitbeinig, fassen Sie sicher zu und führen Sie die Last mit geradem Rücken nahe am Körper, indem Sie Knie und Hüfte langsam durchstrecken.
Unsere Bildergalerie zeigt, wie Sie auch im Alltag Haltung bewahren – und Ihren Rücken bei alltäglichen Bewegungen ganz einfach entlasten können.
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Getränkekisten heben: So nicht!
Heben oder tragen Sie schwere Gegenstände nicht mit gekrümmten, nach vorne gebeugtem Oberkörper. Denn dadurch beanspruchen Sie unnötig Ihre Wirbelsäule. Durch hektische oder ruckartige Bewegungen besteht zudem die Gefahr eines Hexenschusses oder Bandscheibenvorfalls.
Getränkekisten heben: So geht’s!
Gehen Sie zunächst in die Hocke und greifen Sie die Last mit beiden Händen nah am Körper. Der Rücken ist in gerader Haltung, den Po können Sie leicht nach hinten schieben. Spannen Sie Rücken-und Bauchmuskulatur an, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und stehen Sie langsam auf. Die Kraft sollte dabei aus den Beinen kommen.
Staubsaugen: So nicht!
Viele Menschen beugen den Oberkörper beim Staubsaugen zu weit nach vorne. Dadurch wird jedoch der untere Rücken zu stark belastet.
Staubsaugen: So geht’s…
Die meisten Staubsaugerrohre sind mittlerweile höhenverstellbar. Verändern Sie die Länge am besten so, dass das Führen des Saugers mit geradem Rücken in aufrechter Position möglich ist.
… oder so!
Wer auch in die hintersten Ecken mit dem Staubsauger kommen möchte, sollte sich mit einem Bein auf den Boden knien und das andere angewinkelt aufstellen. So können Sie Ihren Rücken in dieser Extremposition etwas entlasten.
Spülmaschine ausräumen: So nicht!
Sich mühsam zu verrenken, um an das hinterste Geschirr zu gelangen, ist keine gute Idee, da die Rückenmuskeln dadurch schnell ermüden. Ziehen Sie das Geschirrfach besser so weit wie möglich heraus.
Spülmaschine ausräumen: So geht’s!
Noch rückenschonender räumen Sie die Spülmaschine aus, wenn Sie sich mit einem Bein auf den Boden knien. Das andere stellen Sie angewinkelt auf, die Fußspitze zeigt dabei nach vorne. Beugen Sie sich aus der Hüfte heraus und versuchen Sie den Rücken gerade zu halten.
Rückenschmerzen durch Schlafen?
Auch die Wahl der Matratze und die damit zusammenhängende Schlafqualität kann Einfluss auf Probleme mit dem Rücken haben. Wo Experten Betroffenen von Rückenschmerzen früher pauschal eine möglichst harte Unterlage empfohlen haben, geht es heute viel eher um die subjektiven Präferenzen des Einzelnen. Schließlich sollten Sie sich wohlfühlen und daher selbst ausprobieren, auf welcher Matratze und welchem Lattenrost Sie bequem liegen. Als grobe Orientierung gilt: Je schwerer der Schlafende, desto härter sollte die Matratze sein.
Achten Sie darauf, dass Ihre Wirbelsäule beim Liegen nicht durchhängt und die Matratze Ihnen das Gefühl gibt, sich dem Rücken anzupassen — nicht umgekehrt. Diese werden in der Regel als punktelastisch bezeichnet. In der Liegeposition brauchen Schultern und Becken genug Spielraum, um sich vollständig entspannen zu können. Spezielle Nackenkissen für Bauch- oder Seitenschläfer können den Schlafkomfort durch ihre entlastende Funktion zusätzlich erhöhen.
Um Rücken und Muskulatur auf Dauer nicht zu überanstrengen, wechseln Sie idealerweise zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten und machen regelmäßige Pausen. Stundenlange Überkopfarbeit ist eine genauso große Herausforderung für den Körper, wie eine stark gebückte oder gehockte Haltung. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln, die zu einer rückenschonenden Arbeit beitragen. Dazu gehören unter anderem:
Ergonomische Arbeitsgeräte: Je aufrechter Sie arbeiten, desto besser ist es für Ihren Rücken — Wirbelsäule und Bandscheiben werden so weniger belastet. Die Länge des Griffs oder Stiels von Hacke, Schaufel oder Besen beeinflusst, wie viel Sie sich bücken müssen und ob Sie bestenfalls stehend arbeiten können. Griffe sollten rutschfest gestaltet sein, um so wenig Kraft wie möglich einsetzen zu müssen.
Rückengurte zur Entlastung: Überall dort, wo rückenbelastend gehoben und getragen oder in ungewohnter Position gearbeitet wird, entlasten Rückengurte die Wirbelsäule. Diese trägt man — ähnlich einem Nierengurt — eng über Hüfte und Taille gelegt. Sie bringen den Rücken so in eine aufrechte Position und vermeiden gleichzeitig rückenbelastende Bewegungen. Die Gurte sorgen zusätzlich für eine Erinnerung an eine korrekte Körperhaltung und entlasten durch ihre Stützfunktion aktiv die Bandscheiben.
Bei größeren Vorhaben im Haushalt ist es darüber hinaus sinnvoll, sich tatkräftige Unterstützung von Familie oder Freunden zu holen. Vor allem, wenn ausgiebige Renovierungsarbeiten anstehen oder besonders große und schwere Objekte bewegt werden müssen. Viele Menschen tendieren schnell dazu, sich selbst zu überschätzen und dadurch die eigene Gesundheit zu gefährden.
Grundsätzlich ist Sport nicht nur gut als Präventivmaßnahme gegen mögliche Beschwerden, auch für Patienten mit akuten Rückenschmerzen ist er zu empfehlen. Sportliche Aktivitäten steigern die Fitness, kräftigen die Muskulatur und verbessern häufig die Beweglichkeit. Selbst in Phasen akuter Rückenschmerzen ist leichte Bewegung oftmals besser als ein striktes Bewegungsverbot. Jedoch nur, wenn es die Schmerzen zulassen.
Das gezielte Training des großen Lendenmuskels (Psoas) kann Rücken- oder Hüftschmerzen vorbeugen. Was Sie darüber wissen sollten, verrät Fitness- & Ernährungsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse im Interview.
Fragen Sie im Vorfeldin jedem Fall Ihren Arzt. Er kennt Ihre Symptome im Zweifel am besten und kann abschätzen, welche Sportart für Sie geeignet ist. Vor allem Nordic Walking, Kraul- oder Rückenschwimmen und Radfahren trainieren unter anderem die Rumpfmuskulatur, stärken damit den Rücken und entlasten so die Wirbelsäule.
Bevor Sie mit dem Sport beginnen, sind Aufwärm- und Dehnübungen sinnvoll. Ein gut durchbluteter und gelockerter Bewegungsapparat ermüdet langsamer und ist weniger anfällig für Verletzungen. Tragen Sie außerdem funktionelle Kleidung, sodass der Schweiß schnell verdunstet und nur kurz am Körper bleibt. Durchgeschwitzte Baumwollshirts auf der Haut transportieren die Wärme schnell ab und führen dadurch nicht selten zu Verspannungen der Muskulatur.
Nach dem Sport ist es sinnvoll, genug zu trinken und sich selbst beziehungsweise Ihrem Rücken eine Ruhepause gönnen. Auch eine warme Dusche oder Bad sollte nicht fehlen. Auf diese Weise regenerieren sich die beanspruchten Körperpartien in kurzer Zeit.
Was ist eigentlich die Rückenschule?
Hinter dem Begriff Rückenschule verbergen sich spezielle Kurse (häufig von Orthopäden angeboten), die unter anderem die Wahrnehmung der eigenen Körperhaltung und Bewegung fördern sowie Wissen über die Kräftigung der Rückenmuskulatur vermitteln. Ziel ist es, ein rückengerechtes Verhalten zu erreichen.
Darüber hinaus sind oftmals Techniken zur Entspannung sowie der Umgang mit Stress Bestandteil der Kurse. Den Teilnehmern werden dabei die nicht nur anatomischen Grundlagen des Muskel-, Nerven- und Skelettsystems nähergebracht, sie lernen gleichzeitig, rückenschonende Körperhaltungen und korrekte Hebe- beziehungsweise Tragetechniken anzuwenden.
Welche Übungen helfen bei der Prävention von Rückenschmerzen?
Sportliche Aktivitäten sind wichtig, um den Rücken gesund zu erhalten.
Leider fehlt vielen Betroffenen oft die Zeit, diese konsequent und
regelmäßig auszuüben. Abseits davon gibt es jedoch auch einige Übungen, die
ohne großen Aufwand zu Hause durchführbar sind. Sie stärken die Rücken-
und Rumpfmuskulatur, geben dem Rückgrat Stabilität und verhindern so die
Entstehung von Beschwerden. Beispielsweise gehören dazu:
Bauchlage: Flach auf den Bauch gelegt, befinden sich die Arme ausgestreckt vor dem Kopf. Ihre Stirn liegt auf der Übungsmatte. Stellen Sie nun die Fußspitzen auf und spannen Sie Bauch- und Gesäßmuskulatur an. Strecken Sie Arme und Beine beim Ausatmen so weit wie möglich nach vorne beziehungsweise nach hinten aus, heben Sie sie leicht vom Boden ab und halten kurz die Spannung. Beim Einatmen die Arme und Beine wieder absenken. Becken und Bauch bleiben bei dieser Übung die ganze Zeit auf der Matte. Nach wenigen Wiederholungen sollten Sie Ihre untere Rückenmuskulatur spüren.
Vierfüßlerstand: Stützen Sie sich für die Grundstellung auf Knie und Hände und spannen Sie die Bauchmuskeln an. Die Wirbelsäule ist gerade. Bestenfalls kontrollieren Sie Ihre Körperhaltung während der Übung im Spiegel. Während des Ausatmens strecken Sie ein Bein gerade nach hinten. Führen sie das Bein beim Einatmen wieder in die Grundstellung zurück. Alternativ ist es auch möglich, zusätzlich zum Bein, den entgegengesetzten Arm auszustrecken. Bei beiden Varianten werden Gesäß- und Rückenmuskulatur beansprucht.
Crunches: Für eine gleichmäßige Stärkung des Rumpfes ist es ebenso wichtig, die Bauchmuskulatur zu trainieren. Begeben Sie sich dazu auf den Rücken und stellen Sie Beine auf. Bauch- und Gesäßmuskeln sind angespannt und der Lendenbereich wird flach auf den Boden gedrückt. Strecken Sie die Arme in Richtung Knie und heben Sie Kopf und Schultern beim Ausatmen langsam und leicht vom Boden ab. Halten Sie die Spannung für einen Moment, atmen Sie langsam ein und rollen Sie den Oberkörper Wirbel für Wirbel ab. Diesen Vorgang können Sie mehrmals wiederholen. Die Lendenwirbelsäule bleibt bei dieser Übung während der gesamten Zeit am Boden.
Versuchen Sie, eine oder mehrere dieser Übungen regelmäßig in Ihrem Alltag unterzubringen. Wenige Minuten am Tag reichen dabei aus, um die Muskeln im Oberkörper zu kräftigen und Beschwerden, wie Rückenschmerzen, vorzubeugen. Sind Sie sich unsicher, zögern Sie nicht, einen Arzt oder Physiotherapeuten zu konsultieren. Jene Experten können die Übungen entsprechend auf Ihre individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden.
Jan ZimmermannEgal ob Video, Foto oder Text – Hauptsache die Kreativität kommt nicht zu kurz. Noch während seines Masterstudiums der Medienwissenschaften und der Arbeit als Multimedia Content Creator in München, entwickelte Jan Zimmermann eine Passion für das Schreiben. Seit 2018 lebt er diese als Medizinredakteur bei kanyo® aus.wm@xnalb.qr
Jan
Zimmermann
Medizinredakteur und Medienwissenschaftler
kanyo®
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