Was passiert bei ALS-Patienten?
Die Amyotrophe Lateralsklerose gehört genau wie Parkinson und auch Alzheimer zu den sogenannten neurodegenerativen Krankheiten. Dies bedeutet, dass die Zellen des Nervensystems nach und nach ihre Funktion verlieren und unwiderruflich ausfallen. Dadurch kommt es zu motorischen Defiziten bei den Patienten. Sie sind dann nicht mehr dazu in der Lage, verschiedenste Bewegungen auszuführen.
Die Ice-Bucket-Challenge
…ist eine Spendenkampagne, die ins Leben gerufen wurde, um die Erforschung der Nervenkrankheit ALS zu unterstützen und voranzubringen. Die Teilnehmer filmten sich dabei, wie sie einen Eimer gefüllt mit Eiswasser über dem Kopf ausschütteten. Das Eiswasser sollte annähernd die Symptome der Amyotrophen Lateralsklerose verursachen und den Teilnehmern zumindest für einige Sekunden ein lähmendes Gefühl verschaffen. Durch weitere „Nominierungen“ von Freunden und Bekannten verbreitete sich die Aktion weltweit über soziale Netzwerke.
Bei der Nervenkrankheit ALS beginnt der Verfall in den großen, spezialisierten Motoneuronen unseres Gehirns und Rückenmarks. Als Motoneuron werden alle Nervenzellen bezeichnet, die die Muskulatur steuern und damit zum Beispiel eine aktive Kontraktion von Muskeln auslösen können. Das sogenannte erste Motoneuron löst den Bewegungsimpuls im Gehirn aus. Der Ausläufer des ersten Motoneurons, das sogenannte Axon, leitet die Information ins Rückenmark. Dort findet die Umschaltung auf das jeweilige zweite Motoneuron statt, welches dann wiederum die Befehle an den Zielmuskel überliefert.
Genau wie Alzheimer und auch Parkinson zählt die Amyotrophe Lateralsklerose zu den sogenannten Proteinopathien. Dies bedeutet, dass die Auswirkungen all dieser Krankheiten aufgrund von strukturveränderten Proteinen (Eiweißmoleküle) zustande kommen. Genauer gesagt entstehen Fehler in der Faltung spezieller Proteine der Nervenzellen – durch die Fehlfaltung können sie sich mit weiteren Proteinen zu großen Klumpen zusammenschließen.
Solche Proteinzusammenschlüsse legen sich in der Nähe der Zellkerne ab und führen zum Absterben der betroffenen Motoneuronen, welche dadurch keine Befehle mehr an unsere Muskeln weitergeben können. Die Folge: Die Bewegung verschiedener Körperteile, wie zum Beispiel der Arme oder Beine, ist nicht mehr möglich.
Doch damit ist es leider nicht getan, denn die Proteine wandern aus den Motoneuronen heraus zu den benachbarten Nervenzellen und bilden auch dort die erwähnten Proteinklumpen. Dadurch verlieren im Laufe der Zeit immer mehr Motoneuronen ihre Funktion und ALS-Betroffene leiden an zunehmenden Bewegungseinschränkungen.
Was bedeutet „Amyotrophe Lateralsklerose“?
Das Wort „Amyotrophie“ steht übersetzt für Muskelschwund – ein Symptom, das bei allen ALS Patienten vorkommt. „Lateralsklerose“ bezieht sich auf die Nerven, die seitlich aus dem Rückenmark austreten. Diese Seitenstränge verhärten sich im Verlauf der Krankheit.
Liegt die Nervenkrankheit ALS in der Familie?
In wenigen Fällen lautet die Antwort, ja. Entsprechend den Forschungsergebnissen aus dem Jahr 2013 liegt in circa zehn Prozent aller Fälle eine familiäre Amyotrophe Lateralsklerose1 vor. Es wurde nachgewiesen, dass die Proteinzusammenschlüsse durch bestimmte Genmutationen entstehen und folglich verantwortlich für die Ausbildung der Krankheit sind. Diese mutierten Gene werden weitervererbt, was aber nicht gleichzeitig einen Ausbruch der Krankheit mit sich bringen muss. Eine Frau oder ein Mann können ebenso nur Träger des ALS-Gens sein und es weitervererben, ohne dass es bei ihnen selbst zwangsläufig zu ALS kommt.
Die restlichen 90 Prozent der ALS Patienten weisen eine sogenannte sporadische, also nicht vererbbare, Form der Nervenkrankheit ALS auf2. Auch bei diesen Patienten kann die Entstehung der Proteinklumpen nachgewiesen werden. Die genaue Ursache dafür ist allerdings noch nicht klar. Eine Möglichkeit sehen Forscher in einer spontanen Mutation von Genen, die dann zu der Krankheit führt. Spontane Mutationen generell können jeden Menschen treffen und sind nicht weitervererbbar. In manchen Fällen äußern sie sich durch Krankheiten oder sie bleiben unbemerkt und es treten keine Folgen auf.
Symptome und Verlauf der Amyotrophen Lateralsklerose
Die Nervenkrankheit ALS äußert sich durch Muskelschwäche. Abhängig von den betroffenen Muskelpartien ist es möglich, dass verschiedene Einschränkungen entstehen. Sind die Hände betroffen, fallen zu Beginn kleinere Bewegungen, wie das Heben einer Tasse, schwer. Gangunsicherheit tritt auf, wenn die Muskeln der unteren Extremitäten nicht mehr korrekt angesteuert werden können. Auch Muskelschwund und die dadurch verlorengehende Kraft sowie häufige Krämpfe können den Krankheitsbeginn einer ALS andeuten. Eine andere Form der Amyotrophen Lateralsklerose beginnt mit Schluck- und Sprachstörungen.
Der weitere Verlauf ist von Patient zu Patient unterschiedlich und hängt meist davon ab, an welcher Körperstelle die Erkrankung begonnen hat. Sind zu Beginn nur die Hände betroffen, werden sich die Beschwerden, die von Muskelschwund bis hin zu Lähmungen reichen, auf den gesamten Arm ausbreiten. Die Veränderungen können – abhängig vom Patienten – innerhalb weniger Wochen, aber auch erst nach vielen Monaten in Erscheinung treten3. Starten die Probleme in den Beinen, müssen Betroffene mit sich verschlechternden Gangstörungen rechnen.
Weitere mögliche Symptome sind:
- Angststörungen
- Appetitverlust
- Schlafprobleme
- Krämpfe und Spastiken (Steifigkeit)
- Verengung der Bronchien (führt zu Husten und Auswurf)
- Sialorrhoe (Speichelfluss aus dem Mund)
Da auch unsere Atmung von Muskeln gesteuert wird, sind im späteren Verlauf der ALS eine Schwäche der verantwortlichen Muskulatur und folglich Atmungsstörungen möglich, welche lebensbedrohlich sein können.
Forschungsstand bei der Nervenkrankheit ALS
Was genau die Ursache für die Genmutation bei ALS ist, konnte bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht umfassend geklärt werden. Doch um geeignete Therapien zu erforschen, ist es nicht unbedingt wichtig, die genauen Auslöser herauszufinden. Vielmehr werden die entstehenden Veränderungen, wie die Proteinzusammenschlüsse, untersucht und passende Therapien entwickelt.
Am besten verstanden ist die familiäre ALS, weshalb hier in den nächsten Jahren am ehesten Therapien wahrscheinlich sind, die den Ausbruch der Krankheit verhindern können. Hierzu ist es wichtig, vorher festzustellen, ob man Träger des mutierten Gens ist. Wenn in der Familie schon einmal die Amyotrophe Lateralsklerose vorgekommen ist, kann ein Gentest in Absprache mit einem Arzt in Erwägung gezogen werden.
Aktuelle Behandlungsansätze der Amyotrophen Lateralsklerose
Im Moment werden unabhängig voneinander drei Strategien zur Behandlung von ALS angestrebt:4
- Stärkung der gesunden Muskeln, um die Aufgaben der schwachen Muskelfunktion teilweise zu übernehmen
- Ausschaltung des mutierten Gens bei erblicher, familiärer ALS
- Entwicklung einer Methode zur Entfernung der Proteinverklumpungen
Eine Heilung von ALS ist noch nicht möglich, aber der Krankheitsverlauf kann mit unterschiedlichen Behandlungsansätzen verlangsamt werden. Je nach Bedarf ist der Einsatz von Ernährungs- oder Atmungshilfen möglich. Physiotherapie und Logopädie sind zur Verbesserung der Muskel- und Sprachbeschwerden ein angewandtes Hilfsmittel. Auch Testläufe verschiedener Medikamente sind aktuelle Ansätze. Hier steht auch die Verwendung von verschreibungspflichtigen Cannabis-Produkten in der Diskussion. Ein Mundspray gegen Spastiken ist bereits zugelassen.5