Diagnose durch den Neurologen


Experte für die Feststellung von Nervenschädigungen ist der Neurologe. Er ist auf Störungen und Erkrankungen des Nervensystems spezialisiert. Zum einen versucht der Facharzt herauszufinden, ob, wo und in welchem Ausmaß eine Nervenschädigung vorliegt. Zum anderen geht er der Ursache für die Beeinträchtigung auf den Grund.

Grundlagenuntersuchungen zur Diagnose von Nervenschädigungen


Zu Beginn der Diagnose steht ein ausführliches Anamnesegespräch, in dem der Arzt sich beim Patienten nach seinen Beschwerden und Lebensumständen erkundigt. Folgende Fragen können dabei beispielsweise gestellt werden:

  • Welche Symptome haben Sie bemerkt?
  • Leiden Sie schon länger unter den Beschwerden?
  • Treten die Symptome in einer bestimmten Situation auf?
  • Sind Sie im Alltag Giftstoffen (beispielsweise Nikotin oder Quecksilber) ausgesetzt?
  • Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
  • Konsumieren Sie Alkohol?
  • Sind bei Ihnen bereits andere Erkrankungen (zum Beispiel Stoffwechsel- oder Autoimmunerkrankungen) festgestellt worden?

Während des Gesprächs werden zudem die Art und die Intensität der Schmerzen klassifiziert, zum Beispiel brennend und eher schwach ausgeprägt oder stechend und sehr stark. Vielen Patienten fällt eine Einschätzung mithilfe der sogenannten Schmerzskala (visuelle Analogskala) leichter.

Wie funktioniert die Schmerzskala?

Hierbei muss der Patient seinen Schmerz auf einer visuellen Skala (meist in Form eines Balkens) einschätzen. Die Skala ist in verschiedene Abschnitte von 1 bis 10 unterteilt, wobei 1 für „kein Schmerz“ und 10 für „stärkster vorstellbarer Schmerz“ steht.1 Die Skala ermöglicht es dem Patienten, seine subjektive Empfindung dem Arzt gegenüber möglichst einfach zu beschreiben.

Nerven spielen in Bezug auf die motorischen Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Daher bewertet der Arzt auch die Bewegungsfähigkeit und das Gangverhalten des Patienten, die weitere Aufschlüsse liefern. Kombiniert wird dies oft mit dem Testen von typischen Reflexen des Menschen, wie beispielsweise dem Kniesehnen-Reflex. Normalerweise bewahrt uns dieser Reflex vor einem Sturz, wenn wir stolpern, indem er den Unterschenkel blitzschnell hochreißt. Der Arzt kann zu Testzwecken diesen Reflex künstlich auslösen, indem er mit einem kleinen Hämmerchen auf die Kniescheibe klopft. Funktioniert die Reflexreaktion nicht, weist dies auf eine Nervenschädigung hin.

Weitere Tests beziehen sich auf die Berührungsempfindlichkeit von Armen oder Beinen. Als Hilfsmittel dient dabei zum Beispiel eine Stimmgabel. Diese wird angeschlagen und anschließend an die untersuchte Hautstelle gehalten, sodass die Schwingungen nachempfunden werden können – oder eben nicht, wenn eine Nervenschädigung vorliegt.

Elektrophysiolgoische Untersuchungen bei einer Nervenschädigung


Dem Neurologen stehen zwei verschiedene Methoden zur Verfügung:

  • Elektroneurografie (ENG)
  • Elektromyografie (EMG)

Bei einer Elektroneugrafie misst der Mediziner die Nervenleitgeschwindigkeit – also die Fähigkeit eines Nervs, elektrische Impulse zu leiten. Dafür klebt der Arzt mehrere kleine Elektroden auf die Haut. Der Nerv wird dann über die Elektroden durch einen sanften elektrischen Impuls stimuliert. Gleichzeitig erfassen die Elektroden, wie lange es dauert, bis der Nerv den Impuls an einen Muskel weitergegeben hat. Die daraus gezogenen Messwerte geben Aufschluss über Art und Ausmaß von Nervenschädigungen.

Keine Angst vor Schmerzen

Eine ENG kann sich für den Patienten unter Umständen unangenehm anfühlen, allerdings sind keine ernsten Risiken damit verbunden.2

Bei einer Elektromyographie wird die elektrische Muskelaktivität (also das Zusammenspiel von versorgenden Nerven und Muskelpartie) bestimmt. Der Neurologe führt bei dieser Untersuchung dünne Nadelelektroden durch die Haut in den jeweiligen Muskel ein. Die Elektroden leiten auf den Muskel übertragene Aktivität ab und stellen diese auf einem Bildschirm in Form von Spannungskurven dar. Ist die Muskulatur oder ein dazugehöriger Nerv geschädigt, ist die gemessene elektrische Aktivität verändert (zeigt sich zum Beispiel durch verkürzte oder verlängerte Spannungskurven).

Patienten müssen keine Angst vor einem EMG haben, die Einstiche der Nadelelektroden sind mit denen bei einer Akupunktur vergleichbar. Zudem sind die Nadeln deutlich dünner als die, welche beispielsweise bei einer Blutabnahme verwendeten werden.3

Schon gewusst?

Meist werden ENG und EMG in Kombination durchgeführt, damit der Arzt möglichst aussagekräftige Ergebnisse erhält.

Labordiagnostik zur Feststellung der Ursache


Ist eine Nervenschädigung erkannt, muss der auslösende Faktor ermittelt werden. Neben einer klassischen Blutuntersuchung, können eine Untersuchung des Liquors (auch Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit oder umgangssprachlich Nervenwasser genannt) oder Nervenbiopsien (Gewebeentnahme und -Untersuchung) weitere Aufschlüsse liefern.

Blutuntersuchung

Spezielle Messwerte und Parameter des Bluts können Hinweise auf die Ursache einer Nervenschädigung geben. Dies sind zum Beispiel:

  • Blutzuckerspiegel: Ein erhöhter Wert weist auf eine Diabeteserkrankung hin, die womöglich für Nervenschädigungen verantwortlich ist.
  • Vitamin B12-Konzentration: Zur Diagnose eines Vitamin B12-Mangels, der ebenfalls eine mögliche Ursache darstellt, lässt der Arzt das Blut auf bestimmte Werte analysieren.
  • Leberwerte: Sind sie erhöht, kann eine Lebererkrankung als Auslöser für die Nervenschädigung in Frage kommen.
  • Antikörper: Eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut deutet auf eine Infektionskrankheit, zum Beispiel HIV, als Grund für die Nervenschädigung hin.

Liquoruntersuchung

Mithilfe der Liquoruntersuchung kann entschieden werden, ob Gehirn und Rückenmark von den Nervenschädigungen betroffen sind. Die aus dem Rückenmark entnommene Flüssigkeit ist normalerweise klar. Liegt eine Nervenschädigung vor, ist die Zusammensetzung des Liquors verändert. Weiterhin kann die Untersuchung Hinweise darauf geben, ob beispielsweise eine neurologische Erkrankung, wie Multiple Sklerose (Anzahl bestimmter Eiweiße ist erhöht), oder Bakterien (nachweisbar im Nervenwasser), zum Beispiel Borrelien, die Ursache für die Nervenschädigung darstellen.

Entnahme des Nervenwassers
Für die Gewinnung des Liquors sticht der Facharzt mit einer dünnen Nadel in der Regel zwischen den 3. und 4. Lendenwirbel und entnimmt etwa 10 bis 15 Milliliter der Flüssigkeit.4 Das kann kurz piksen, ist in der Regel für den Patienten aber nicht schmerzhaft.

Untersuchung von Nervenbiopsien

Bei einer Nervenbiopsie wird während eines kurzen chirurgischen Eingriffs unter örtlicher Betäubung durch einen kleinen Schnitt in der Haut eine Gewebeprobe direkt aus einem Nerv entnommen. Der Laborarzt bewertet dann, basierend auf einer mikroskopischen Betrachtung, den Zustand der Nervenzellen. Zeigen die Nervenzellen keine Auffälligkeiten, liegt keine Nervenschädigung vor. Sind hingegen degenerierte oder unterversorgte Nervenzellen zu sehen, leidet der Patient vermutlich an einer Nervenschädigung.

Eine Nervenbiopsie sollte nur in einer neurologischen Abteilung von einem Spezialisten durchgeführt werden, da die Möglichkeit besteht, den Nerven bei der Untersuchung unbeabsichtigt zu verletzen. Außerdem kommt die Entnahme der Gewebeprobe nur zum Einsatz, wenn andere Untersuchungsmethoden keine Ergebnisse liefern konnten.

Bildgebende und sonstige Diagnosemethoden bei Nervenschädigungen


Es gibt eine Vielzahl an weiteren Diagnoseverfahren, die bei der Aufklärung der Ursache einer Nervenschädigung mitunter zum Einsatz kommen:

  • Computertomografie (CT) für mehrschichtige Aufnahmen des Körpers
  • Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) zur Darstellung von Gefäßen, Gelenken und dem Gehirn
  • Doppler-Sonografie, eine Spezialform des Ultraschalls, bei der der Blutfluss gemessen werden kann
  • Angiografien, ebenfalls für die Darstellung von Blutgefäßen geeignet
  • Elektrokardiogramm (EKG) zur Überprüfung der Herzfunktion

In der Regel ist eine Kombination der genannten Methoden nötig, um eine Nervenschädigung und deren Ursache zu erkennen und daraus eine gezielte Behandlung abzuleiten.

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Pauline Zäh Bereits als Kind wusste Pauline Zäh, dass sie einmal Redakteurin werden wollte. Lesen und Schreiben waren schon immer ihre großen Leidenschaften. Während des Journalismus-Studiums spezialisierte sie sich im Bereich Medizin. Für sie ein besonders wichtiges Feld, denn Gesundheit geht jeden etwas an. Von 2019 bis 2021 war sie Teil von kanyo®. Pauline Zäh Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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