Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Nervenschäden können viele verschiedene Ursachen haben. Danach richtet sich auch die Therapie.
  • Häufig werden Medikamente zur Verringerung der Schmerzen eingesetzt.
  • Bei bestimmten Verletzungen, Erkrankungen sowie Fehlentwicklungen von Nerven sind operative Eingriffe erforderlich.
  • Mit der Elektrotherapie sollen Nerven stimuliert und Schmerzen gelindert werden.
  • Physikalische und alternative Heilmethoden sind weitere Bausteine in der Behandlung von Nervenschädigungen.

Ursächliche Behandlung von Nervenschäden


Die Neurologie ist ein sehr breit gefächertes medizinisches Fachgebiet, das Erkrankungen des Nervensystems (Gehirn, Rückenmark und periphere Nerven) und der Muskulatur umfasst.1

Im Allgemeinen basiert die Behandlung von Nervenschädigungen auf der entsprechenden Diagnose, also der zugrundliegenden Ursache:

  • Ist ein Schlaganfall für die Nervenschädigung verantwortlich, stellt dies einen medizinischen Notfall dar. Eine unverzügliche Therapie (zum Beispiel mit Medikamenten, die das Blutgerinnsel auflösen) ist notwendig.
  • Eine diabetische Neuropathie (Nervenschädigungen infolge der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus) erfordert eine optimale Einstellung der Blutzuckerwerte.
  • Bei alkoholbedingten Nervenschädigungen ist eine sofortige Alkoholabstinenz erforderlich. Bei starker Abhängigkeit wird meist ein Entzug unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt. Entzugserscheinungen können dann beispielweise mit Medikamenten abgemildert werden. Nach der körperlichen Entgiftung folgt in der Regel eine psychische Entwöhnung. Spezielle Fachkliniken oder Beratungsstellen unterstützen Betroffene dabei, ihren Abstinenzwunsch zu festigen.
  • Ist ein Vitaminmangel (zum Beispiel Vitamin B12 oder Vitamin B1) der Auslöser, müssen Patienten ihre Ernährungsweise ändern oder – unter ärztlicher Aufsicht – Vitaminpräparate einnehmen.
  • Bei vielen neurologischen Krankheiten wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder Multiple Sklerose ist es bis heute nicht gelungen, wirksame Heilungsmethoden zu finden. Ziel der Behandlung ist daher, das Fortschreiten der Erkrankungen soweit wie möglich hinauszuzögern und Symptome zu lindern.

Medikamentöse Therapie


Tabletten als Bestandteil der Behandlung bei Nervenschädigungen.

Nervenschädigungen gehen meist mit brennenden, kaum erträglichen Schmerzen einher. Eine wichtige Säule der Behandlung stellt daher die medikamentöse Schmerztherapie dar. Ziel dieser ist es, die Beschwerden zu lindern, sowie die Schlaf- und allgemeine Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern und den Erhalt sozialer Aktivitäten und der Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.2

Betroffene sollten mit der Behandlung der Schmerzen möglichst frühzeitig beginnen, da das Nervensystem ansonsten für den Schmerz geradezu sensibilisiert wird. Es kann sich ein Schmerzgedächtnis entwickeln und die Gefahr einer Chronifizierung besteht. Das heißt, der Körper reagiert besonders empfindlich gegenüber bestimmten Reizen oder Schmerzen bestehen auch dann fort, wenn eigentlich kein Grund mehr dafür existiert.

Das WHO-Stufenschema dient Ärzten alswichtige Orientierungshilfe in der Schmerztherapie. Die Schmerzmittel werden in drei Stufen eingeteilt:

  • Stufe 1 bilden nicht-opioidhaltige Schmerzmittel. Dazu gehören beispielsweise die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure oder Paracetamol. Sie zählen zu den schwächeren Schmerzmitteln und sind meist rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
  • Stufe 2 sieht den Gebrauch mittelstarker Opioide (synthetisch hergestellte Arzneimittel aus Opium) vor. Substanzen dieser Schmerzklasse verschreibt der Arzt, wenn Schmerzmittel der Stufe 1 nicht mehr ausreichen.
  • Stufe 3 beinhaltet den Einsatz starker Opioide. Beim Einsatz dieser Schmerzmittel ist eine ärztliche Überwachung der Therapie wichtig. Die Medikamente unterliegen meist strikten Vorlagen des Betäubungsmittelgesetzes.3

Schmerzmittel sind in Form von Tabletten, Spritzen, Gels oder Wirkstoffpflastern erhältlich. Ihr Arzt klärt Sie über die Vor- und Nachteile der einzelnen Darreichungsformen auf.

Neben Analgetika und Opioiden können bei Nervenschmerzen noch weitere Medikamente zum Einsatz kommen. Dazu gehören:

  • Antiepileptika: Ursprünglich zur Therapie epileptischer Anfälle entwickelt, werden die Präparate mittlerweile häufig auch bei Nervenschmerzen angewandt. Sie hemmen übererregte Nervenzellen und verhindern dadurch, dass diese ständige Schmerzsignale aussenden.
  • Antidepressiva: Die zur Behandlung von Depression zugelassenen Arzneimittel wirken nicht nur stimmungsaufhellend, sondern auch schmerzlindern und eignen sich deshalb auch bei neuropathischen Schmerzen. Das gilt insbesondere für trizyklische Antidepressiva, deren Namen sich auf ihre chemisch dreifache Ringstruktur bezieht und die am längsten auf dem Markt sind.
  • Capsaicin: Der natürlich in Chilischoten vorkommende Wirkstoff hat sich ebenfalls bei Nervenschmerzen bewährt. Er deaktiviert hyperaktive Rezeptoren, die Schmerz wahrnehmen, und hemmt somit die Schmerzwahrnehmung. Capsaicin wird vor allem zur äußeren Anwendung in Form von Schmerzgels oder -pflaster eingesetzt.4
  • Cortison: Arzneimittel mit dem Steroidhormon verschreiben Mediziner dann, wenn die Ursache der Nervenschädigung eine Entzündung (beispielsweise bei einem Karpaltunnelsyndrom ist.

Der Arzt verordnet in vielen Fällen eine Kombination aus zwei oder mehreren Wirkstoffen. So sollen die Nervenschmerzen über unterschiedliche Wirkmechanismen gelindert werden.2

Je nach Ursache verschreiben Ärzte darüber hinaus noch viele weitere Medikamente. Bei Migräne-Schmerzen sind beispielsweise Triptane (gefäßverengende und entzündungshemmende Wirkstoffe) das Mittel der Wahl, bei einem Schlaganfall müssen blutverdünnende Medikamente eingenommen werden. Viele der Medikamente sind verschreibungspflichtig. Ihr behandelnder Arzt wird Sie im Zuge der Therapie ebenfalls über die medikamentösen Möglichkeiten informieren.

Gut zu wissen:
Es gibt eine Vielzahl an Medikamenten gegen neuropathische Erkrankungen – und an vielen weiteren wird noch geforscht: Derzeit befinden sich über 500 Arzneimittel in der Entwicklung.

Operative Verfahren


Verletzungen, Erkrankungen sowie Fehlentwicklungen von Nerven können in einigen Fällen einen operativen Eingriff erfordern. Zuständig ist in diesem Fall der Neurochirurg. Er muss nicht nur meist anspruchsvolle mikrochirurgische Eingriffe vornehmen, sondern dabei ebenfalls Funktionen und neurochirurgische Erkrankungen in ihrer Komplexität berücksichtigen.

Zu den Krankheitsbildern, bei denen Operationen notwendig sein können, gehören beispielsweise:

  • Karpaltunnelsyndrom: Durch die Einklemmung des Mittelnervs im Handgelenk entstehen Schmerzen, Taubheitsgefühle oder ein Kribbeln in den Fingern. Meist wird zunächst versucht, die Beschwerden konservativ (beispielsweise mittels Ruhigstellung oder Kühlung) zu behandeln. Stellt sich keine Besserung ein, kann eine operative Freilegung des Nervs zu einer Entlastung führen.
  • Bandscheibenvorfall: Tritt der gallertartige Kern aus der Hülle der Bandscheibe und drückt auf Spinalnerven, klagen Betroffene über heftige Schmerzen im Rücken, die bis in die Beine ausstrahlen können. Der Mediziner muss dann unter Umständen einen Teil oder die komplette Bandscheibe entfernen.
  • Nervenverletzungen: Nerven können beispielsweise bei Autounfällen geschädigt oder sogar durchtrennt werden. Im letzten Fall hat der Chirurg die Möglichkeit, die beiden Nervenenden mit einer End-zu-End-Naht wieder zu verbinden. Voraussetzung hierfür ist, dass nicht zu lange gewartet wird. Denn schon nach wenigen Wochen bilden sich die beiden Enden soweit zurück, dass keine direkte Naht mehr möglich ist. Eine therapeutische Option ist in einem solchen Fall eine Nerventransplantation. Der Chirurg benutzt hierfür körpereigenes Nervengewebe des Patienten (meist aus der Wade). Für das Einnähen verwendet er feinste, mit bloßem Auge kaum sichtbare Nähte.
  • Aber auch bei einigen Krebserkrankungen ist der Neurochirurg gefragt. Dabei erfolgt jedoch immer eine enge Zusammenarbeit mit Strahlenmedizinern, die bei bestimmten Tumoren auch eine Chemotherapie durchführen.

In sehr seltenen Fällen und bei sehr starken Schmerzen (zum Beispiel Tumorschmerzen) ist auch eine Neurodestruktion möglich. Bei einem solchen Eingriff werden Nerven beziehungsweise Nervengeflechte durch chemische oder thermische Verfahren zerstört. Zudem ist eine chirurgische Durchtrennung möglich. Dadurch wird die Funktion der Nerven temporär oder langfristig ausgeschalten. Der Eingriff gilt als risikoreich und wird daher nur als letzte Option in Betracht gezogen.

Neurostimulationen durch Reizstromtherapie

Eine alternative Behandlungsmethode ist die Elektrotherapie, bei der elektrische Impulse zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren:

Die häufigste Methode ist die sogenannte epidurale Rückenmarkstimulation (englisch „spinal cord stimulation“, = SCS), bei der durch ein operatives Verfahren mehre Elektroden in den Rücken implantiert werden. Diese stimulieren die hinteren Abschnitte des Rückenmarks. Das dadurch entstehende angenehme „Kribbeln“ soll das Schmerzempfinden überdecken.6

Keine Implantation erfordert hingegen die Transkutane Elektrische Nerven-Stimulation, kurz TENS. Die Elektroden werden direkt an den schmerzhaften Hautregionen angeklebt und sind mit einem kleinen tragbaren Gerät verbunden. Per Knopfdruck lassen sich sanfte elektrische Impulse erzeugen, welche die Schmerzen hemmen sollen. Der lindernde Effekt kann noch einige Stunden nach der Behandlung andauern.7 Die Wirksamkeit der TENS bei Nervenschmerzen ist jedoch bislang nicht hinreichend wissenschaftlich belegt.8

Physikalische Therapie


Physikalische Therapien bilden einen weiteren wichtigen Baustein zur Therapie von Nervenschmerzen. Der Begriff umfasst verschiedene Behandlungsformen:

  • Wärme- und Kältebehandlungen: Diese lassen sich sehr leicht in den Alltag integrieren und zu Hause durchführen. Während bei Entzündungen vor allem Kälte (zum Beispiel in Form kalter Kompressen) angewandt werden kann, kann in einigen Fällen auch eine Wärmflasche oder ein warmes Bad als wohltuend empfunden werden. Bei Empfindungsstörungen müssen Sie jedoch sehr vorsichtig sein, um Verbrennungen oder Erfrierungen zu vermeiden.
  • Krankengymnastik und Sporttherapien: Sie zielen darauf, Körperhaltung und Bewegungsabläufe zu trainieren, und nehmen daher vor allem in der Rehabilitation (zum Beispiel nach einem Schlaganfall) einen wichtigen Stellenwert ein. Bewegung stärkt betroffene Muskelgruppen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass durch Sport körpereigene Schmerzhemmstoffe (Endorphine) ausgeschüttet werden.
  • Biofeedback: Hier lernen Betroffene normalerweise unbewusst ablaufende Prozesse (wie die Herzrate oder Hirnströme) des Körpers zu kontrollieren. Beispielsweise sollen Patienten versuchen, die Hauttemperatur und damit einhergehende die Schmerzwahrnehmung zu reduzieren.9
  • Psychologische Betreuung: Nervenschmerzen können eine starke psychische Belastung sein. Um Depressionen oder Angststörungen vorzubeugen, kann daher eine psychologische Behandlung sinnvoll sein.
  • Entspannungstechniken: Vielen Menschen helfen Entspannungstechniken wie Meditation, autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Sie führen zu einer seelischen sowie gleichzeitig körperlichen Beruhigung und können somit das Wohlbefinden von Betroffenen steigern.

Hilfsmittel im Alltag

Ein zentraler Therapie-Bestandteil bei Nervenschädigungen sind außerdem Hilfsmittel für den Alltag. Bei Menschen mit einer diabetischen Neuropathie besteht beispielsweise eine erhöhte Gefahr von Verletzungen oder Druckstellen und damit von Folgeerkrankungen wie einem diabetischen Fußsyndrom. Diese kann durch spezielles Schuhwerk oder Einlagen ohne störende Nähte verringert werden.

Noch wichtiger sind Hilfsmittel bei einigen bislang nicht heilbaren neurologischen Erkrankungen. Als Beispiele sind hier die Krankheiten Multiple Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose (ALS) zu nennen. Beide können mit Fortschreiten zu starken Bewegungseinschränkungen, Sprach- und Schluckstörungen sowie Atemschwäche führen. Rollstühle, Sprachcomputer, Türöffnungshilfen und Co. tragen zu mehr Selbständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen bei.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten


Viele Menschen profitieren therapiebegleitend von alternativen Verfahren. Dazu zählen:

  • Akupunktur: Die Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin setzt auf das Einbringen von Nadeln in die Haut an bestimmten Energiepunkten und eine ganzheitliche Sichtweise zur Linderung der Beschwerden. Bisher gibt es jedoch nicht ausreichende Nachweise, die eine Wirkung gegen Nervenschmerzen belegen.10
  • Massagen: Sie fördern die Durchblutung und lockern das Bindegewebe. Massagen werden daher in einigen Fällen als wohltuend empfunden.
  • Homöopathie: Wissenschaftlich gilt die Homöopathie als nicht ausreichend wirksam, dennoch vertrauen viele Menschen auf die „sanfte Behandlungsmöglichkeit“. Auch hier richtet sich die Wahl der Mittel nach der zugrundeliegenden Ursache. Bei Nervenschmerzen im Gesicht eignen sich beispielsweise die Pflanzen Colocynthis (Koloquinte), Spigelia anthelmia (Wurmkraut), Aconitum napellus (Blauer Eisenhut), Cedron (Klapperschlangenbohne), Verbascum thapsiforme (Königskerze) und Rhus toxicodendron (Giftsumach).11

Wichtig:

Alternative Behandlungsmöglichkeiten gelten zwar als natürlich und schonender, dennoch sollten Sie diese stets mit Ihrem Hausarzt oder Neurologen absprechen.

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Miriam Müller Aufgewachsen in einer Familie aus Krankenschwestern und Journalisten, interessierte sich Miriam Müller bereits sehr früh für die Themen Medizin und Medien. Nach verschiedenen Praktika im journalistischen Bereich – unter anderem bei der Deutschen Welle in Washington D.C. – absolvierte sie erfolgreich ihr Masterstudium Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Miriam Müller Medizinredakteurin und Kommunikationswissenschaftlerin kanyo® mehr erfahren
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